Eichhörnchen

Eurasisches Eichhörnchen

Das Eurasische Eichhörnchen (Sciurus vulgaris), häufig nur als Eichhörnchen bekannt, ist ein Nagetier aus der Familie der Hörnchen (Sciuridae). Es ist der einzige natürlich in Mitteleuropa vorkommende Vertreter aus der Gattung der Eichhörnchen und wird zur Unterscheidung von anderen Arten wie dem Kaukasischen Eichhörnchen und dem in Europa eingebürgerten Grauhörnchen auch als Europäisches Eichhörnchen bezeichnet.

Regionale Bezeichnungen des Tieres sind Eichkätzchen, Eichkatz(er)l, Eichkater, überdies – umgesetzt aus der jeweiligen Mundartform – Eicher(li) (Schweiz), Eichhase (Österreich), Baumfuchs (Hessen), Konradchen (Nassau), Eichhalm (Württemberg) sowie niederdeutsch Katteker (Katzeicher) und Ekenaape (Eichenaffe).

Übersicht

Eurasisches Eichhörnchen
Eichhörnchen

Eichhörnchen (Sciurus vulgaris)

Systematik
Unterordnung: Hörnchenverwandte
(Sciuromorpha)
Familie: Hörnchen (Sciuridae)
Unterfamilie: Baum- und Gleithörnchen
(Sciurinae)
Tribus: Baumhörnchen (Sciurini)
Gattung: Eichhörnchen (Sciurus)
Art: Eurasisches Eichhörnchen
Wissenschaftlicher Name
Sciurus vulgaris
Linnaeus, 1758

Merkmale

Körperbau und Maße

Eichhörnchen auf einem Wegpfosten
Eichhörnchen auf einem Wegpfosten

In seinem Körperbau ist das Eichhörnchen an eine baumbewohnende und kletternde Lebensweise angepasst. Es wiegt etwa 200–400 g. Die Kopf-Rumpf-Länge beträgt 20–25 cm. Der zweizeilig behaarte, buschige Schwanz ist 15–20 cm lang. Er dient beim Klettern als Balancierhilfe und beim Springen als Steuerruder. Beim Laufen wird der Schwanz stets in der Luft gehalten. Die Geschlechter sind anhand von Größe und Fellfarbe nicht zu unterscheiden.

Eichhörnchen gehören zu den Sohlengängern. Sie haben an den Vorderpfoten vier lange, sehr bewegliche, mit langen gebogenen Krallen ausgestattete Finger; den verkümmerten Daumen haftet ein winziger Nagelrest an. Die Hinterbeine sind überproportional lang und sehr kräftig. Die langen, gebogenen Krallen bieten den Eichhörnchen auch beim schnellen Kopfüber-Klettern an glatten Stämmen guten Halt.

Schädel

Der Schädel des Eichhörnchens ist breit, eben und abgerundet mit einem hohen, weitgehend eiförmigen Hirnschädel und einer kurzen, schmalen und hohen Schnauze. Im Vergleich zum Schädel des Grauhörnchens ist der Schädel des Eichhörnchens kleiner, der Hirnschädel ist höher, die Postorbitalfortsätze sind länger und schmaler, und die Stirn ist vorne zwischen den Augenhöhlen leicht eingedellt. Vom Kaukasischen Eichhörnchen unterscheidet sich das Eichhörnchen ebenfalls durch den höheren Hirnschädel sowie durch die längere Schnauze, den langen unteren Rand des Jochbogens, der mittig zum hinteren oberen Vorbackenzahn am Oberkiefer ansetzt, und größere Paukenblasen mit zwei statt drei Scheidewänden. Im Gegensatz zum Kaukasischen Eichhörnchen ist zudem die Breite des Unterkieferastes in der Mitte größer als die Länge der Backenzahnreihe.

Abhängig von der Unterart variieren die Schädelmaße des Eichhörnchens über das Verbreitungsgebiet. So nimmt die Größe des Schädels in ganz Eurasien unabhängig von Klimafaktoren von Norden nach Süden zu. In Europa ist diese Beziehung jedoch nicht sehr klar, und in Mitteleuropa wurde eine Größenzunahme von Süden und Westen nach Nordosten festgestellt. Die Condylobasallänge des Eichhörnchens beträgt 44,0–49,3 mm, die Basallänge 40,2–48,4 mm, die zygomatische Breite 29,0–35,2 mm, die Nasalialänge 14,0–18,7 mm und die Länge der oberen Backenzahnreihe 8,5–10,4 mm. Bei Jungtieren scheint der Schädel noch etwas über das erste Jahr hinaus zu wachsen. Ein Geschlechtsdimorphismus in Bezug auf die Schädelmaße besteht nicht.

Schädel eines Eichhörnchens
Schädel (Sammlung Museum Wiesbaden)

Gebiss

Das für Hörnchen typische Gebiss des Eichhörnchens weist in jeder Kieferhälfte einen Nagezahn, zwei Vorbackenzähne oben und einen Vorbackenzahn unten sowie drei Backenzähne auf. Eckzähne sind nicht vorhanden, die Gesamtzahl der Zähne beträgt 22.

Die Größe der Vorbacken- und Backenzähne nimmt von vorne nach hinten zu. Der vordere obere Vorbackenzahn des Eichhörnchens ist klein, stiftförmig, etwas einwärts gerückt, nahezu funktionslos und anders als beim Kaukasischen Eichhörnchen immer in beiden Kieferhälften vorhanden. Der hintere obere Vorbackenzahn entspricht in Form und Größe fast den oberen Backenzähnen. Wie diese weist er zungenseitig einen großen, halbmondförmigen Höcker und backenseitig vier Höcker auf. Von den höheren, zweiten und vierten Höckern ziehen Querleisten zum zungenseitigen Höcker. Am hinteren Vorbackenzahn ersetzt ein gut abgegrenzter Höcker die sonst mit dem vierten Höcker verbundene Leiste, und am hinteren Backenzahn fehlt sie. Der untere Vorbackenzahn und die unteren Backenzähne sind rautenförmig mit eingetieftem Zentrum. An den vier Ecken weisen sie je einen Haupthöcker auf. Vorne und an den beiden Seiten befindet sich je ein kleiner Nebenhöcker, der mit zunehmender Abnutzung verschwindet. Wiltafsky (1978) gibt die Anzahl der Zahnwurzeln beim vorderen oberen Vorbackenzahn mit eins, beim hinteren oberen Vorbackenzahn, bei den oberen Backenzähnen und beim unteren Vorbackenzahn mit drei und bei den unteren Backenzähnen mit vier an. Die Anzahl der Zahnfächer geben Niethammer und Krapp (1978) beim vorderen oberen Vorbackenzahn mit eins, beim unteren Vorbackenzahn mit zwei, beim hinteren oberen Vorbackenzahn, bei den oberen Backenzähnen und beim hinteren unteren Backenzahn mit drei sowie beim vorderen und mittleren unteren Backenzahn mit vier an.

Der hintere obere und der untere Vorbackenzahn haben Vorläufer im Milchgebiss, die im Alter von 16 Wochen ausfallen. Bei Jungtieren ist der hintere obere Vorbackenzahn wesentlich kleiner als die Backenzähne, seine Hinterkante ist stets stark abgenutzt, und er bildet mit der Vorderkante des vorderen oberen Backenzahns eine Kaufläche. Die Abnutzung der Vorbacken- und Backenzähne und das Wachstum des Wurzelzements können ebenfalls zur Altersbestimmung herangezogen werden.

Behaarung und Färbung

Die dichte Behaarung ist kurz, seidig bis gröber (8.000 bis 10.000 Haare pro cm²). Die Länge der Grannenhaare beträgt auf der Nase 3–11 mm (Mittelwert 5,9 mm), am Bauch 13–23 mm (Mittelwert 16,4 mm), auf dem Rücken 17–23 mm (Mittelwert 22,5 mm). Im Haargrund haben die Haare einen Durchmesser von 0,04 mm, im Bereich der Granne steigt der Durchmesser bis auf 0,12 mm. Die Wollhaare sind unterschiedlich lang, gewellt oder spiralförmig gewunden. Ihr Durchmesser beträgt 0,010–0,015 mm. Sie sind zur Spitze und zur Haarzwiebel hin verjüngt. Die ausgewachsenen Ohrpinselhaare sind 3–5 cm lang, die Schwanzhaare 5–8 cm (gelegentlich auch bis 10 cm) lang.

Die Oberseitenfarbe variiert von Hellrot bis zu Braunschwarz; die Bauchseite ist, sauber abgegrenzt vom Rückenfell, weiß oder cremefarben. Das Winterfell ist wesentlich dichter als das Sommerfell. Im Winter wird die Fellfarbe oft dunkler und kann auch graue Farbtöne annehmen. Im Winterfell haben Eichhörnchen bis zu 3,5 cm lange rotbraune Ohrpinsel. Im Sommerfell sind diese Ohrpinsel klein oder nicht vorhanden. Im Winter sind außerdem die sonst nackten Fußsohlen behaart.

Ein Eichhörnchen mit Sommerfell
Mit Sommerfell
Eichhörnchen mit dunkelbrauner Farbvariante
Dunkelbraune Farbvariante
Eichhörnchen mit Ohrpinseln
Im Herbst mit Ohrpinseln
Eichhörnchen mit Winterfell
Mit Winterfell

Verbreitung und Lebensraum

Karte mit der Verbreitung des Eurasischen Eichhörnchens
Lebensraum der eurasischen Eichhörnchen

Das Verbreitungsgebiet des Eurasischen Eichhörnchens ist paläarktisch und umfasst beinahe ganz Europa einschließlich Großbritannien und Irland sowie große Teile von Nordasien vom Ural ostwärts bis an die Pazifikküste in Kamtschatka, der Volksrepublik China und Korea sowie die Inseln Sachalin und Hokkaidō. In Europa fehlt es nur im Südosten Englands sowie im Südwesten Spaniens und dem Süden Portugals und in manchen Regionen Italiens. In der Balkanregion kommt die Art nur sporadisch vor und auf den meisten Inseln des Mittelmeeres ist das Eichhörnchen nicht anzutreffen. In der Türkei umfassen die Vorkommen die europäischen Teile (Ostthrakien) sowie die nordöstliche Türkei.

Eichhörnchen kommen bis in einer Höhe von 2000 Meter, nach anderen Angaben bis 3100 Meter in den Alpen, vor.

Die typischen Lebensräume sind, auf das gesamte Verbreitungsgebiet bezogen, überwiegend boreale Nadelwälder. Nur im europäischen Teil des Verbreitungsgebiets sind Eichhörnchen auch in Laub- und Mischwäldern heimisch. Als Kulturfolger sind sie dort heute in Parks und Gärten häufig zu finden.